Mit Julia ihr war es von Beginn an, als würde ich sie schon seit der Grundschule kennen und wir hätten uns einfach seitdem nicht gesehen. Deswegen hatten wir viel zu bereden, was so passiert ist, was passieren wird und überhaupt. Die Basis, die war einfach da ... und ich behaupte, nicht nur mir geht es so, sondern sie hat dieses Talent, das in Menschen die Lust auf ein langes Gespräch auslöst. Klingt seltsam, doch diese Begabung hat sie ja auch zu ihrem Beruf gemacht und coacht beim spazieren gehen – es nennt sich Walk and talk coaching. Was genau und wer sie überhaupt ist, erzählt Julia selbst:
Damit das Kind einen Namen hat, haben meine Eltern mich Julia genannt. Das war vor 32 Jahren. Ist schon eine Weile her und in der Zeit war ich glaube schon ziemlich viel. Nicht das jetzt jemand auf die Idee kommt ich leide unter einer multiplen Persönlichkeitstörung. Nein, ich habe aber in den 31 Jahren doch schon recht viele verschiedene Leben ausprobiert und war in jeder Phase immer etwas anders. Das Ganze hat sich nun zu einem recht harmonischen Bild zusammen gestellt. Heute bin ich in meiner Mitte, weiß was ich mag und was nicht, habe vorerst meinen Traumjob gefunden, bin in der Liebe angekommen und führe ein sehr artgerechtes Leben. Meine letzte Chefin meinte mal im Vertrauen zu mir, das ich ein ganz schön wildes Pferd sei. So was muss man sich eingestehen und nicht versuchen irgendwer zu sein, der man nicht ist. Raus aus der Manege und weg von der Dressur. Ich bin viel angeeckt früher. Heute kaum noch, weil ich eben mein Leben und vor allem im Job selbstbestimmt bin.
Woher kommst du?
Ursprünglich aus Berlin. Viele können immer gar nicht verstehen, wie man aus Berlin weg will. Hamburg ist definitiv meine Wahlheimat und Berlin fehlt mir kein bisschen. Die Stadt hat einfach von allem zu viel und man kann herrlich viele Jahre damit verbringen vor sich hin zu dümpeln und im Jahrmarkt der Unterhaltungsangebote verloren zu gehen. Berlin kommt mir manchmal wie ein riesiger Rummelplatz vor. Im Grunde ist es ein wenig so, als würdest du in einem Süßigkeitenladen groß werden. Alle Kinder drücken sich immer die Nase an der Scheibe platt und träumen davon dort zu arbeiten wenn sie mal groß sind. Du aber hast jeden Tag so viele Süßigkeiten um dich, das du es irgendwann leid bist und nur noch weg willst. So geht mir das mit Berlin. Gerade die vielen Zugezogenen können meine Flucht schwer verstehen. Klar, habe sie sich doch viele Jahre die Nasen platt gedrückt und sehnsüchtig nach Berlin geschielt.
Seit wann bist du in Hamburg?
Jetzt das zweite Mal seit Sommer 2015. Ich war vor fünf Jahren schon ein Mal für ein Weile hier, doch es zog mich weiter nach Flensburg. Damals merkte ich schon, wie gut mir Hamburg tut. Alles ist hier ein wenig konzentrierter als in Berlin. Im Grund wie ein Sud aus Berlin. Das Beste ist noch erhalten, aber alles Überflüssige ist weg.
Erzähl mal von deinem Beruf.
Ich bin Hauptberufliche Zuhörerin. Das wird heut zu Tage viel zu selten getan. Weil die meisten so mit sich beschäftigt sind. Dadurch sind viele Gespräche wie ein Ping-Pong-Spiel und jeder ist bestrebt, seinen Ball zurück zu schlagen. Beim achtsamen Zuhören geht es darum, sich selbst ein Mal total zurück zu nehmen. Zu mir kommen Menschen, die sich verhäddert haben oder einfach neue Impulse brauchen. Ich gehe mit ihnen spazieren und währenddessen entsteht eine ganz eigene Gesprächdynamik. Ganz anders als bei klassischem Coaching. Wenn man den Menschen aufmerksam zuhört gibt man ihnen damit die Möglichkeit sich selber zuzuhören. Und dann wird den meisten auch klar, was sie machen müssen. Ich gebe nur Impulse und biete Blickwinkel an und meine Klienten machen daraus was Eigenes. Durch mein Achtsames und mitfühlendes Zuhören gelingt es den meisten, auch sich selbst diese Haltung wieder entgegen zu bringen und damit ist der Weg geebnet das Blockaden und Konflikte sich lösen können. Ziel ist, das meine Klienten ihre Fähigkeit zum Selbstcoaching wieder entdecken. Mit Walk&Talk Coaching habe ich etwas geschaffen was mir seid früher Jugend am Herzen lag und es ist unfassbar schön so einen Wunsch zu verwirklichen und das beruflich machen zu können, wo einem das Herz lacht.
Was wäre deine Job, würdest du nicht das machen, was du jetzt machst?
Naja hätte ich mich nicht irgendwann entschieden mein Ding zu machen, würde ich wahrscheinlich immer noch als Storeleitung in einem Laden stehen. Kein schlechter Job, aber selbstbestimmt kann man da nicht wirklich arbeiten. Ich hätte aber auch im Callcenter hängen bleiben können oder als hauptberufliches Partymäuschen in Berlin, im Altenheim, hinter der Bar, in der Assistensstelle bei der ZITTY, im Cafe, in meinem eigenem Laden, bei Filmschnitt oder im Showroom. Ach da hätte ich viele Möglichkeiten gehabt. Aber mal ehrlich, wirkliche Alternativen zu meinem jetzigen Job wären das nicht gewesen.
Was machst du, wenn du nicht arbeitest?
Ich lerne ziemlich gerne. Nicht so das Schullernen, sondern in Eigenregie. Ich trinke gerne einen über den Durst, aber eben nur was meinen Wissensdurst angeht. Zurzeit machen ich mein zweites Fernstudium. Das ist dann sowas wie mein Hobby. Ich lese unheimlich gerne, was praktisch ist, wenn man was lernen will. Und ich gehe gerne spazieren. Das ist wie Mediation und man kann herrlich den eigenen Gedanken nachhängen. Klassische Meditation mache ich auch, wobei ich bestrebt bin, die stärke in meinen Alltagshandlungen mit einfließen zu lassen. Wenn ich so drüber nachdenke, wirkt meine Zeit neben der Arbeit recht unspektakulär genutzt. Aber ich finde gerade das runter schalten in der Freizeit als sehr erholsam. Eben nicht hier 24/7 Halligalli.
In welchem Stadtteil von Hamburg lebst du?
Eimsbüttel. Und zwar direkt am Kanal. Morgens kann man in der Küche sitzen und aufs Wasser gucken und Brotkrumen den Enten zu werfen ... Ich gucke auf Wasser und ins Grüne. Das kommt meiner artgerechten Haltung sehr entgegen.
Möchtest du nochmal in einem Anderen wohnen?
Ich finde Blankeneese mit den kleinen Häusern am Hang wunderschön. Aber ich weiß nicht, ob ich mit den Anwohner zurecht käme. Finkenwerder finde ich wunderbar. Wenn ich da bin, staune ich immer wie ländlich es dort ist – obwohl es nur einen Steinwurf von der Innenstadt weg ist. Ich glaube da, da kann man sich dem Landleben nähern ohne ganz aus der Stadt zu sein.
Wo würdest du dein Traumhaus bauen, bzw. wo würdest du gern leben?
Irgendwo wo es etwas mehr Sonne gibt. Muss nicht gleich Peru oder das andere Ende der Welt sein. Ich mag die Jahreszeiten in unseren Breitengraden sehr gerne. Was mir von der Mentalität aber auch sehr gut gefällt, ist Schweden. Auf jeden Fall im Grünen und nicht in einer Großstadt.
Was macht Hamburg für dich zur Kulturstadt?
Hmmm ... ich muss gehstehen, ich bin ein wenig ein Kulturbanause. Aber dass man hier unzählige Möglichkeiten in alle möglichen Geschmacksrichtungen hat, finde ich schön. Ob ich nun ins Theater will oder tanzen auf einem Openair. Ich nutze es nur viel zu wenig.
Was würdest du ändern, wenn du Bürgermeister wärst?
Ich glaube nicht, dass ich in der Politik gut aufgehoben wäre und das Handwerk des Bürgermeistern besonders gut machen würde. Aber könnte ich in der Position das Drei-Tage-Wochenende festlegen, dann würde ich mir sowas wohl zum Ziel setzten.
Ich würde Organisationen wie Foodsharing mehr unterstützen. Also etwas gegen Lebensmittelverschwendung tun. Und kostenlose Trinkwasserbrunnen wie unten an der Alster in der ganzen Stadt verteilen. Daneben könnte man gleich Kopfhörerstationen anbringen, wo die Leute sich setzten können und 5-10 Minuten durch eine geführte Meditation entspannen können. Auszeiten für alle – jeden Tag.
Warum Hamburg und nicht Berlin, Istanbul oder New York?
Ist mir alles zu groß. Da verliert man schnell den Überblick für das Wesentlich und verrennt sich.
Alster oder Elbe
Elbe. Da kann man herrlich lange in eine Richtung fahren und sieht immer wieder Neues. Die Alster ist schön für zwischen durch, wenn man weniger Zeit hat. In einer guten Stunde ist man einmal rum und musste mindestens 20 Joggern ausweichen. An der Elbe gibt es dagegen super viel zu entdecken. Man kann zum Beispiel mit dem Rad nach Wedel fahren und dann am Wasser immer zurück.
Wie viel Stunden am Tag ist dein Smartphone an?
Also an ist es tatsächlich den ganzen Tag. Aber benutzen tue ich es doch deutlich weniger, als die meisten. Ich achte immer wieder bewusst drauf lieber doof in der Gegend rumzugucken und zu träumen, anstatt diese Zeit durch den Schredder meines Handys zu jagen.
Lieblingssong des Moment?
Lieblingssong forever?
Drei Plätze, die man sich in Hamburg unbedingt angeschaut haben sollte:
Plätze, ja? Wie wäres es mit einem Projekt?
- Die Solidarische Landwirdschaft vom Kattendorfer Hof. Ist aber auch ein Platz, kann man nämlich hin fahren und schauen wo sein Essen her kommt.
- Ins alte Land um runter zu kommen und die Seele im Grünen baumeln zu lassen oder bei der Apfelernte zu helfen.
- Und in den Dialog im Dunkeln. Sehr spannend in die totale Dunkelheit zu tauchen und die Welt ohne Augen zu erfahren.
Möchtest du noch jemanden grüßen, hier ist Platz dafür:
Wenn ich jetzt anfange und jemanden vergesse, gibt es bestimmt Saures. Darum grüße ich alle, die ich in Zukunft noch kennen lernen werde und freu mich schon drauf.
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